Der tragische Tod einer meiner haarigen Mitbewohner stürzte den zurückgelassenen Hausgenossen in eine tiefe Depression. Heulend suchte er fortan die Wohnung nach seinem Buddy ab und war nur hin und wieder durch intensivstes Schmusen zu beruhigen.
Nachts kuschelte er sich ganz nah an mich, zeigte sein unerfülltes Liebesbedürfnis durch dröhnende Schnurrgeräusche und den intensiven Einsatz des Milchtritts, der lustige rote Streifenmuster auf meinen Armen und meinem Dekolleté hinterließ.
Wenn ich davon nicht wach wurde, dann schlug ich spätestens die Augen auf, sobald der Powerkuschler anfing, zärtlich an meinem Kinn oder der Nase zu nagen. So sehr mich das auch rührte, so unruhig wurden leider auch die Nächte. Tagsüber war es schwierig, geradeaus zu gehen, da der Verlassene laufend körperliche Nähe suchte und ständig um meine Beine herum streifte. Es brach mir fast das Herz …
Ein neuer Kater musste her, um wieder eine Nacht durchzuschlafen und damit der Zurückgebliebene einen neuen Kumpel bekäme, mit dem man zusammen 1a die Wohnung verwüsten könnte. Also auf ins Tierheim, um gleich doppelt etwas Gutes zu tun und noch ein einsames Wesen glücklich zu machen.
Ich bin vielleicht eine wenig naiv an die Sache rangegangen, denn ich hatte mir vorgestellt, dort einfach hinzugehen und das schönste Tier wieder mit nach Hause zu nehmen und alle Parteien wären glücklich (und das Tierheim auch noch um 100 Tacken reicher). Dabei dachte ich an einen schwarzen kurzhaarigen Kater, dem man ja allgemein nachsagt, sich gerne mit Frauen wie mir verbünden zu wollen
dessen Haare man nicht direkt auf wirklich jedem Kleidungsstück von mir sieht, wie die des Verstorbenen.
Da Entschlusskraft so gar nicht zu meinen Stärken gehört, habe ich eine Freundin mitgenommen, die mir bei dieser normativen Entscheidung beratend zur Seite stehen sollte. So standen wir vor den Käfigen von ca. 30 Katzen und am liebsten hätte ich sie alle mitgenommen, aber der Mann aus der anderen Stadt hatte mir vorsorglich und eindringlichst die Zahl 1 (eins!)
eingebläut ans Herz gelegt, sodass ich noch andere Auswahlkriterien in Betracht zog, als nur meinen überfließenden Gefühlen zu gehorchen.
Wir gaben uns also hilfesuchend in die Hände des geschulten Fachpersonals und hörten uns kurzweilige Geschichten zum Thema „Mensch und Tier“ (Wussten Sie eigentlich, was die beiden häufigsten Abgabegründe sind? Plötzlich auftretende Allergie und Auswanderung in ein Land auf einem anderen Kontinent!) und zu den einzelnen Katzen an. Nach 1 ½ Stunden kannten wir sämtliche tragischen Schicksale der Gefangenen und mussten leider einsehen, dass tatsächlich keine Einzige der anwesenden Schnurrzen zu meinem Trauerkloß zu Hause passte.
Soo schwierig hatte ich mir das nun wirklich nicht vorgestellt, schließlich waren mindestens 10 schwarze Kater darunter, die ein schönes Zuhause verdient hätten. Ziemlich enttäuscht hinterließ ich meine Telefonnummer und zog mit meiner Freundin und einem leeren Katzenkorb wieder ab.
Sollten wir tatsächlich mit unserer Trauer alleine bleiben? Zu Hause angekommen, durchforstete ich das Netz nach anderen Tierheimen und meine Freundin drängte mich, noch einen Versuch in einem zweiten Auffanglager zu starten.
Tja, auch dort waren nur Katzen, die auf keinen Fall zu meinem Rocker passten, bis ich nach dem Kater fragte, der in einem Karton auf einem Parkplatz ausgesetzt worden war und dessen Schicksal, als ich es las, mich dazu bewegte, doch noch ein zweites Heim aufzusuchen. „Ach der! Der ist noch in der Quarantäne-Station.“
Was soll ich sagen? Das war Liebe auf den ersten Blick und bekanntlich schaltet so etwas ja den Verstand komplett aus. Logisches Denkvermögen? Wie weggeblasen!
Selbst meine Vorgehalte gegenüber Rassekatzen hielt ich plötzlich für maßlos überzogen. Was machen schon ein paar Tierhaare auf der Kleidung aus? So etwas wird doch total überbewertet. Und schließlich wurde genau dieser Kater zur gleichen Zeit ausgesetzt, als ich anfing, zu suchen. Das war doch kein Zufall! Das war ohne Zweifel nichts anderes als Schicksal! Ein Geschenk, sogar verpackt!
Man muss mir meinen gefühlslastigen, debilen Geisteszustand angesehen haben, deshalb habe ich jetzt erst mal einen Pflegevertrag für 2 Wochen und die beiden Kater fauchen sich bei mir zu Hause an und buhlen um meine Aufmerksamkeit. Ich hoffe, ich habe das Richtige getan und die beiden vertragen sich irgendwann. Es wird ja von Tag zu Tag ein kleines Bisschen besser, aber …
… jetzt hat auch noch das erste Tierheim angerufen, sie hätte ein passendes Tier für mich: einen schwarzen Kater mit kurzen Haaren. Was tue ich nur?