Wochenendtiefpunkte ...

Endlich ist der Sommer da und man kann das Leben in vollen Zügen genießen. Genau das habe ich auch das ganze Wochenende hindurch getan und zwar 1.306 km lang. Und auf 6 verschiedenen Bahnhöfen. Einem Anschlusszug durfte ich sogar noch hinterher winken, da eine unglückliche Kettenreaktion aus umgefahrenen Brücken und spielenden Kindern mich 30 Sekunden zu spät ankommen ließ, was meine dortige Verabredung nicht sonderlich amüsierte. So hatte wir das zweifelhafte Vergnügen an diesem wunderbaren Sommersonntagnachmittag am Duisburger Bahnhof, der einen sofort in seinen depressiven Bann zieht, einen Platz zu suchen, an dem man die Wartezeit von einer Stunde überbrücken könnte, ohne danach reif für eine psychologische Behandlung zu sein. Schwer. Sehr schwer, da ein Großteil dieses öffentlichen Gebäudes das eigene Geruchsempfinden auf das gröbste folterte und die Ausgänge mit rettender Frischluftzufuhr als Versammlungsplatz der letzten 1000 Punker diente, die lautstark ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellten. Bevor ich das mit eigenen Augen sehen durfte, litt ich unter dem Trugschluss, diese Spezies wäre im letzten Jahrtausend ausgestorben. Anscheinend haben aber doch einige Kreuzungen überlebt, denn ich konnte seltene Mutationen unter ihnen entdecken, die den Irokesenschnitt durch eine Betonfrisur ersetzt hatten, die offensichtlich der typischen Hausfrau der 50er Jahre geklaut wurde. Das scheint abzuhärten. Abgehärtet haben mich auch die Wochenendtiefpunkte:

3. Platz:

An einem endlich sonnigen Samstagnachmittag in einem Bahnhof mit eingebauter Depression eine Stunde Zeit im Getränkeausschank in der Bar einer „Spielothek" totschlagen müssen und ernsthaft darüber nachdenken, wie tief man in einem einzelnen Leben noch sinken kann.

2. Platz:

An einem endlich sonnigen Samstagnachmittag in einem Speisewagen der Deutschen Bahn frieren müssen, da die Klimaanlage auf Höchstleistung getriezt wurde, um die ausgefallenen Frischluftumwälzer der anliegenden Wagons, in denen die Wüsten lebte, zu kompensieren. Dabei feststellen müssen, dass die im Gepäck befindlichen Kleidungsstücke übereinander getragen so grauenhaft aussehen, dass man froh sein musste, am Ende der Fahrt kein Kleingeld im Getränk zu finden.

1. Platz:

An einem endlich sonnigen Sonntagnachmittag in einem Zug der Deutschen Bahn bei gefühlten 90° C stundenlang fahren müssen, allerdings ohne Speisewagen und auch gänzlich ohne Klimaanlage, dafür mit sehr viel mehr Menschen, als Sitzplätzen und nur durch das beherzte Eingreifen anderer Mitreisender glückliche Umstände davon abgehalten werden, seinem Leben eine komplett andere Richtung zu geben, weil man spontan die Unglückliche erwürgt, die versucht das einzige Fenster zu schließen, um den Geräuschpegel zu minimieren.

wochenende
1972
tilak - 2007-08-07 15:34

@desideria

fliegen ist wohl doch schöner, gell ? Wie oft hast du dir in diesen Zügen die nette alte Dame vom Nachbarsitz bei deinem letzten Flug herbeigewünscht ? :)

Desideria - 2007-08-07 15:37

mehr als 1000 Mal ;)
jazzer - 2007-08-07 15:37

Soll ich dir ein schönes Plätzchen im Abteil meiner leider derzeit vollkommen verwaisten Rubrik "bahnblogging" reservieren? Online gebucht kostet das nur einsfuffzich ;-)

Desideria - 2007-08-07 15:44

Schöne Idee! ;)
seenia - 2007-08-07 15:54

oh nein! mein mitleid!
da bin ich doch gerade noch mehr froh, dass wir am sonntag mit dem flugzeug nach hamburg kommen. und ja, die fahrt heute in einer woche von hambug nach kühlungsborn werden wir dann hoffentlich ohne ähnliche zwischenfälle überleben.

und hey, das schöne wetter kommt hoffentlich wieder zurück?? :)

Desideria - 2007-08-07 16:19

Nächsten Sonntag soll es angeblich 22°C werden mit ein paar Wölkchen und Sonnenschein - aber wer weiß das schon? Wir werden sehen ...

ach ja - die Bahn streikt doch nächste Woche, oder nicht?!
hidden_mask - 2007-08-08 01:01

pfff - wild, hefig und keineswegs beneidenswert, was man hier liest.

waren der samstag abend und der sonntag vormittag wenigstens entschädigend für die strapazen?!

Desideria - 2007-08-09 16:43

durchaus, durchaus ...
littlesister (Gast) - 2007-08-08 06:51

Aber es war schön, das du da warst :-)

edit: das waren keine Punks, das nennt sich Emo!!! Kann das Heranwachsene eines solchen in der Nachbarschaft bewundern..

Desideria - 2007-08-09 16:47

...hat mich auch gefreut. Sehr.

Emo??? Diese Bewegung ist komplett an mir vorbeigegangen oder gibt es soetwas nur im Ruhrpott/Rheinland? Und wofür ist das denn eine Abkürzung??? Einbetonierte Mongolen Optik?
littlesister (Gast) - 2007-08-10 09:15

Auch eine Erklärung :-))) Ich sag immer Mischung zwischen Punk, Grufti und 50ziger Stil...

Wikipedia sagt zu Emo:
Emo (emotional Hardcore) bezeichnet ursprünglich ein Subgenre des Hardcore-Punks, auch Emocore genannt, das sich durch das stärkere Betonen von Gefühlen wie Verzweiflung und Trauer sowie durch die Beschäftigung mit persönlichen Themen wie Liebe und Freundschaft auszeichnet.

Nächstes Mal holen wir Dich ab und retten Dich ;-)

Desideria - 2007-08-10 09:56

... vielleicht bin ich einfach nur zu emotionslos.

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