Von der Entschlossenheit …
Es gibt Menschen, die genau wissen, was sie wollen. Zu denen gehöre ich leider nicht. Ich wäge so lange die Vor- und Nachteile ab, bis diese gar nicht mehr existent sind und mir die Entscheidung vom Schicksal oder wem auch immer aus der Hand genommen wird. Von Unentschlossenheit gebeutelt, bewundere ich diese Wagemutigen, die, ohne zu zögern, ein bestimmtes Ziel verfolgen und die dafür alles, ohne Rücksicht auf Verluste, auf eine Karte setzen.
Selbst in meiner eigenen Familie gibt es Menschen, die mit dieser Willenskraft gesegnet sind. Das beste Beispiel dafür ist meine kleine Nichte. Äußerlich gleicht sie einer zarten Prinzessin, innerlich brodelt die Entschlossenheit eines Kamikazekämpfers. Nun vermutet man das ja nicht gleich bei dem Anblick einer süßen (damals) Vierjährigen, selbst wenn sie schon die ersten ihr zur Verfügung stehenden Manipulationsmittel an einem ausprobiert. Kleine Kinder weinen halt nun mal schnell, wenn man ihre Wünsche nicht sofort erfüllt (manche Prinzessinnen haben dieses Fähigkeit bis ins hohe Alter gerettet, da die Wirkung besonders auf männliche Wesen meist nicht lang auf sich warten lässt). Um ständiges Tränenvergießen zu vermeiden, griffen wir unsererseits auch zu billigen Tricks und buchstabierten fortan in ihrer Gegenwart alle Wörter, die bei ihr ein Verlangen auslösen könnten. „Wo hast du eigentlich das eh ie es hingetan?“
Unser kleines Prinzesschen hatte es aber bei ihrem Besuch der Tante im hohen Norden mit ausschließlich weiblichen Wunscherfüllern zu tun, was die Sache ein wenig erschwerte, schließlich (er)kennen wir unsere eigenen Tricks nur zu gut. Um also die gleiche Reaktion wie bei dem einfacher zu überzeugenden „stärkeren“ Geschlecht zu bewirken, muss mindestens ein Gang höher geschaltet respektive eine Oktave höher geschrieen werden, wenn man an das Ziel seiner Träume gelangen will. Wenn dann Oma, Mama und Tante von allen Passanten angeschaut werden, als wenn sie das arme, kleine Ding gerade aufs Gröbste misshandelt hätten und die Zeugen dieses Erpressungsversuches schon in Erwägung ziehen, die Polizei zu Hilfe zu rufen, ja dann glaubt sich unser kleiner Schatz schon ganz nah am Objekt ihrer Begierde: ein Metalldinges, überzogen mit einem rosa Plüschfell, das Dank Batterien im Bauch den Bewegungsablauf eines Hasen nachahmen kann, inklusive Naserümpfen. Unwiderstehlich für kleine Mädchen bis das Ding drei Tage alt ist und kaputt in der Ecke liegt bei all den anderen zerbrochenen Wünschen.
Fensterscheiben drohten zu splittern, ich wähnte mich einem chronischen Tinnitus nahe, während Mutter und Großmutter des Schreihalses versuchten, mit logischen Argumenten statt mit Lautstärke den Interessenkonflikt zu schlichten. Ich konnte es kaum fassen, aber es schien (nach einer Weile) zu funktionieren. Die Süße sah anscheinend widerwillig ein, dass ihr an einem Tag nicht alle Wünsche erfüllt werden könnten und dass sie für manche Dinge selbst aufkommen müsse, z.B. von dem Kleingeld, was sie von der vielköpfigen Verwandtschaft zu jeder passenden (und unpassenden) Gelegenheit zugesteckt bekäme. Wenn sie die Geldstücke alle sparen würde, hätte sie bald die Summe für den Hoppelhasen zusammen und könnte ihn sich selbst kaufen, ohne jemanden anbetteln zu müssen. Das Schreien verebbte, nur noch der nach unten geneigte Kopf, die vorgeschobene Unterlippe und die fest verschränkten Ärmchen zeugten von dem vergangenen Unglück. Wohltuender Waffenstillstand.
Vierfünf Monate zogen ins Land, die Verwandtschaft hatte längst den hohen Norden verlassen, niemand von uns verschwendete auch nur einen Gedanken an batteriebetriebenes Plüschzeugs und ein Hoppelhase wurde weder von Groß noch Klein auch nur mit einer Silbe erwähnt, da zupfte eines schönen Tages Prinzesschen Mama am Ärmel und verkündete freudestrahlend: “Ich habe es jetzt zusammen!“ Mama erbleichte und stürzte zum Telefon, um mir umgehend die frohe Botschaft mitzuteilen: „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Sie hat nie wieder von diesem dummen Ding gesprochen. Sie hat einfach heimlich eisern gespart und will jetzt, dass wir unseren Part einlösen. Wir haben es ihr versprochen … damals. DU MUSST DIESEN VERDAMMTEN HOPPELHASEN BESORGEN!!!“
Leichter gesagt, als getan. Solche Kleinkind-Verführer sind meist noch kurzlebigeren Saisonabschnitten unterworfen, als die Prêt-à-porter-Schauen in Paris. Kaum hatten wir dem armen Kind dieses pädagogisch wertvolle Unabhängigkeitsbedürfnis vermitteln können, schon wurden wir von der schnelllebigen Marktwirtschaft Lügen gestraft. Das war nicht gut für diese zarte Kinderseele. Gar nicht gut. Hier war voller Einsatz gefragt, um bleibende Schäden im Urvertrauen des kleinen Konsumenten zu verhindern.
Die ersten Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, als ich feststellen musste, dass der Laden, der damals den Plüschhasen verkaufte, im Moment renovierte, indem die Mitarbeiter alles, was vorher weiß war, passend zu meiner Stimmung schwarz strichen. Trotz allem war ein Heiliger mit triefendem schwarzen Farbroller bereit, in den Lagerräumen nach einem rosa Hoppelhasen zu suchen, wenn es denn die Seele einer Vierjährigen retten würde. „Kann es auch ein gelbes Nilpferd sein? Rosa Hasen sind leider aus.“ Erst nachdem ich mich schluchzend und wild um mich schlagend auf den mit Abdeckplane geschützten Boden geworfen hatte, war der hilflose Heilige bereit, alle Filialen dieses Ladens in Europa anzurufen, um vielleicht doch noch einen einsamen rosa Hasen in irgendeinem Lager aufzuspüren. Schließlich galt es, das Weltbild eines Kleinkindes zu retten.
Der letzte Anruf war von Erfolg gekrönt. Es existierte tatsächlich noch ein einziger rosa Plüschhase auf diesem Planeten und glücklicherweise auch noch in einer Stadt, die von meiner anderen Schwester bewohnt wurde, sodass sie ihn aus dem Lager retten können würde. Faxe und Kreditkartenabdrucke wurden hin- und hergeschickt und die Erde schien sich wieder zu drehen. Montag Morgen stand dann die andere Tante des Patenzwerges frisch vom Zahnarzt mit völlig betäubtem Gesicht aber voller Vorfreude vor der Verkaufstheke der Filiale in ihrer Stadt: „Schisch scholl hieer nen rohsa Hobbelhaasen aboohlen.“ und wunderte sich ein wenig, dass sämtliche Verkäufer sofort das Weite suchten und nur einer ihr mit weit ausgestreckten Armen und verdrehten Augen ein Paket aushändigte: „Ja, wir haben alle davon gehört!“
Der Hase wurde sofort im Kindergarten vorgestellt, bewundert und geliebt. Er ist nie in die Ecke zu den anderen kaputten Träumen gekommen, sondern rümpft immer noch nach all dieser Zeit niedlich seine rosa Nase und die Prinzessin lacht dazu … bewundernswert!
Selbst in meiner eigenen Familie gibt es Menschen, die mit dieser Willenskraft gesegnet sind. Das beste Beispiel dafür ist meine kleine Nichte. Äußerlich gleicht sie einer zarten Prinzessin, innerlich brodelt die Entschlossenheit eines Kamikazekämpfers. Nun vermutet man das ja nicht gleich bei dem Anblick einer süßen (damals) Vierjährigen, selbst wenn sie schon die ersten ihr zur Verfügung stehenden Manipulationsmittel an einem ausprobiert. Kleine Kinder weinen halt nun mal schnell, wenn man ihre Wünsche nicht sofort erfüllt (manche Prinzessinnen haben dieses Fähigkeit bis ins hohe Alter gerettet, da die Wirkung besonders auf männliche Wesen meist nicht lang auf sich warten lässt). Um ständiges Tränenvergießen zu vermeiden, griffen wir unsererseits auch zu billigen Tricks und buchstabierten fortan in ihrer Gegenwart alle Wörter, die bei ihr ein Verlangen auslösen könnten. „Wo hast du eigentlich das eh ie es hingetan?“
Unser kleines Prinzesschen hatte es aber bei ihrem Besuch der Tante im hohen Norden mit ausschließlich weiblichen Wunscherfüllern zu tun, was die Sache ein wenig erschwerte, schließlich (er)kennen wir unsere eigenen Tricks nur zu gut. Um also die gleiche Reaktion wie bei dem einfacher zu überzeugenden „stärkeren“ Geschlecht zu bewirken, muss mindestens ein Gang höher geschaltet respektive eine Oktave höher geschrieen werden, wenn man an das Ziel seiner Träume gelangen will. Wenn dann Oma, Mama und Tante von allen Passanten angeschaut werden, als wenn sie das arme, kleine Ding gerade aufs Gröbste misshandelt hätten und die Zeugen dieses Erpressungsversuches schon in Erwägung ziehen, die Polizei zu Hilfe zu rufen, ja dann glaubt sich unser kleiner Schatz schon ganz nah am Objekt ihrer Begierde: ein Metalldinges, überzogen mit einem rosa Plüschfell, das Dank Batterien im Bauch den Bewegungsablauf eines Hasen nachahmen kann, inklusive Naserümpfen. Unwiderstehlich für kleine Mädchen bis das Ding drei Tage alt ist und kaputt in der Ecke liegt bei all den anderen zerbrochenen Wünschen.
Fensterscheiben drohten zu splittern, ich wähnte mich einem chronischen Tinnitus nahe, während Mutter und Großmutter des Schreihalses versuchten, mit logischen Argumenten statt mit Lautstärke den Interessenkonflikt zu schlichten. Ich konnte es kaum fassen, aber es schien (nach einer Weile) zu funktionieren. Die Süße sah anscheinend widerwillig ein, dass ihr an einem Tag nicht alle Wünsche erfüllt werden könnten und dass sie für manche Dinge selbst aufkommen müsse, z.B. von dem Kleingeld, was sie von der vielköpfigen Verwandtschaft zu jeder passenden (und unpassenden) Gelegenheit zugesteckt bekäme. Wenn sie die Geldstücke alle sparen würde, hätte sie bald die Summe für den Hoppelhasen zusammen und könnte ihn sich selbst kaufen, ohne jemanden anbetteln zu müssen. Das Schreien verebbte, nur noch der nach unten geneigte Kopf, die vorgeschobene Unterlippe und die fest verschränkten Ärmchen zeugten von dem vergangenen Unglück. Wohltuender Waffenstillstand.
Vierfünf Monate zogen ins Land, die Verwandtschaft hatte längst den hohen Norden verlassen, niemand von uns verschwendete auch nur einen Gedanken an batteriebetriebenes Plüschzeugs und ein Hoppelhase wurde weder von Groß noch Klein auch nur mit einer Silbe erwähnt, da zupfte eines schönen Tages Prinzesschen Mama am Ärmel und verkündete freudestrahlend: “Ich habe es jetzt zusammen!“ Mama erbleichte und stürzte zum Telefon, um mir umgehend die frohe Botschaft mitzuteilen: „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Sie hat nie wieder von diesem dummen Ding gesprochen. Sie hat einfach heimlich eisern gespart und will jetzt, dass wir unseren Part einlösen. Wir haben es ihr versprochen … damals. DU MUSST DIESEN VERDAMMTEN HOPPELHASEN BESORGEN!!!“
Leichter gesagt, als getan. Solche Kleinkind-Verführer sind meist noch kurzlebigeren Saisonabschnitten unterworfen, als die Prêt-à-porter-Schauen in Paris. Kaum hatten wir dem armen Kind dieses pädagogisch wertvolle Unabhängigkeitsbedürfnis vermitteln können, schon wurden wir von der schnelllebigen Marktwirtschaft Lügen gestraft. Das war nicht gut für diese zarte Kinderseele. Gar nicht gut. Hier war voller Einsatz gefragt, um bleibende Schäden im Urvertrauen des kleinen Konsumenten zu verhindern.
Die ersten Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, als ich feststellen musste, dass der Laden, der damals den Plüschhasen verkaufte, im Moment renovierte, indem die Mitarbeiter alles, was vorher weiß war, passend zu meiner Stimmung schwarz strichen. Trotz allem war ein Heiliger mit triefendem schwarzen Farbroller bereit, in den Lagerräumen nach einem rosa Hoppelhasen zu suchen, wenn es denn die Seele einer Vierjährigen retten würde. „Kann es auch ein gelbes Nilpferd sein? Rosa Hasen sind leider aus.“ Erst nachdem ich mich schluchzend und wild um mich schlagend auf den mit Abdeckplane geschützten Boden geworfen hatte, war der hilflose Heilige bereit, alle Filialen dieses Ladens in Europa anzurufen, um vielleicht doch noch einen einsamen rosa Hasen in irgendeinem Lager aufzuspüren. Schließlich galt es, das Weltbild eines Kleinkindes zu retten.
Der letzte Anruf war von Erfolg gekrönt. Es existierte tatsächlich noch ein einziger rosa Plüschhase auf diesem Planeten und glücklicherweise auch noch in einer Stadt, die von meiner anderen Schwester bewohnt wurde, sodass sie ihn aus dem Lager retten können würde. Faxe und Kreditkartenabdrucke wurden hin- und hergeschickt und die Erde schien sich wieder zu drehen. Montag Morgen stand dann die andere Tante des Patenzwerges frisch vom Zahnarzt mit völlig betäubtem Gesicht aber voller Vorfreude vor der Verkaufstheke der Filiale in ihrer Stadt: „Schisch scholl hieer nen rohsa Hobbelhaasen aboohlen.“ und wunderte sich ein wenig, dass sämtliche Verkäufer sofort das Weite suchten und nur einer ihr mit weit ausgestreckten Armen und verdrehten Augen ein Paket aushändigte: „Ja, wir haben alle davon gehört!“
Der Hase wurde sofort im Kindergarten vorgestellt, bewundert und geliebt. Er ist nie in die Ecke zu den anderen kaputten Träumen gekommen, sondern rümpft immer noch nach all dieser Zeit niedlich seine rosa Nase und die Prinzessin lacht dazu … bewundernswert!
Desideria - 2007-01-09 22:30
3995
Hach...
... und war schließlich maßgeblich beteiligt und WEISS daher, dass das alles nicht wirklich lustig war....
TOLL geschrieben!
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