Tagebuch

Mittwoch, 29. Dezember 2004

Weihnachtsvirus ...

Die alljährliche Bahnfahrt an Weihnachten in die Heimat zu der lieben Familie artet normalerweise bei mir jedes Mal zu einem mittleren Desaster der Marke "Selbst Schuld! Stufe 3" aus, weil außer mir auch alle anderen Menschen aus meiner Gegend Richtung Süden fahren, um ihre Geschenke persönlich zu überreichen. Ich weiß auch nicht, wieso ich am Bahnhof immer rennen muss, um den Zug des Grauens überhaupt zu erwischen. Jedes Mal...

Aber dieses Jahr war es anders:
Überraschender Weise habe ich es geschafft, eine Minute vor Zugabfahrt am Bahnhof zu sein und sogar einen der von mir bevorzugten Einzelplätze zu finden, bei denen man nicht so schnell Gefahr läuft, die unrühmliche Lebensgeschichte irgendwelcher Prinzen oder sonstwie in bunten Blättern abgebildeten Wesen diskutieren zu müssen, sondern sich nur bei Überfüllung des Zuges mit dem Kopf in Gesäßhöhe der schwankenden Sitzlosen zu befinden. Egal, die bleiben wenigstens stumm. (Vorsatz für das nächste Jahr: Keine Schachtelsätze mehr!)

Dann sah ich den ersten Jüngling, der einer älteren Dame half, ihren Sitz zu finden und ihr Gepäck zu verstauen. Da dachte ich noch: "Sieh an. Es gibt sie noch. Die Höflichkeit." Mit dieser Erkenntnis kam mir beim zweiten jungen Mann mit fremder Oma im Schlepptau auch nichts komisch vor. Beim dritten überlegte ich kurz, ob es immer ein und derselbe wäre, verwarf den Gedanken aber wieder. Beim vierten und fünften fing ich an, mich doch etwas zu wundern, ob der plötzlich verbreiteten Liebe zwischen den Generationen, die normalerweise bestenfalls ein Kopfschütteln für einander übrig haben.

Jüngling Nr. 6 wurde aus Ermangelung von wachen, kräftigen Männern von Oma Nr. 6 aus seinem friedlichen Schlaf gerissen, um ihren tonnenschweren Koffer in die oberen Fächer zu bugsieren. "Darf ich Sie bitten, mir den Koffer dort hoch zu stellen?" schüttelte sie an ihm rum. Der noch Träumende hatte anscheinend eine gute Erziehung genossen, so dass er noch im Halbschlaf antworten konnte: "Bitten? Um Himmelswillen NEIN!! DAS ist doch eine Selbstverständlichkeit!!!"

Inzwischen war unser "Lovetrain" so überfüllt, dass Nr. 7 Ömchen nicht nur zu seinem Platz führen konnte, sondern auch für sie eben diesen Platz hergeben musste, was aber mit einem Lächeln kommentiert wurde: "Wie gut, dass ich so jung bin, da macht es mir nichts aus, zu stehen." Sprachs und stellte sich hinter meinen Sitz, sodass er bequem in meiner Zeitung mitlesen konnte.

Inzwischen wunderte mich nichts mehr. Musste das Weihnachtsvirus oder so etwas in der Art sein.

Neben mir auf dem Boden saß ein Mädchen und löste Kreuzworträtsel. Jedes Mal, wenn jemand umständlich über sie hinweg kletterte, lachte sie prophylaktisch alle Menschen in ihrer näheren Umgebung herzallerliebst an und alle lächelten zurück. Jedes Mal. Weihnachtsvirus halt ...

Dieses schlug sich auch in der Sprache nieder:

Der überaus freundliche Schaffner bat mich um Nachsicht für seine defekte Schaffnerzange mit den Worten: "Verzeihen Sie mir, dass ich mich bei Ihnen so blass verewigt habe."

Und als er bei seinem zweiten Durchgang das lachende Mädchen nicht mehr auf dem Boden des Ganges vorfand, sich suchend umschaute und sie endlich auf einem frei gewordenen Sitzplatz entdeckte, flötete sie: "Ich bin auferstanden!"

Ach ja, ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass die Servicejungs mit ihren Getränkewagen so hinreißend charmant waren, dass ich sie am liebsten behalten hätte. Ähem, beide (ja ja – ich weiß, so etwas ist kein politisch korrekter, schon gar nicht weihnachtlicher Wunsch). Einer von ihnen bot mir sogar seinen eigenen Proviant an, da ihm die verbliebene Auswahl in seinem Wagen wohl nicht reichhaltig genug erschien.

Zum Schluss wunderte ich mich eigentlich nur noch darüber, dass die mitgeschleppten Geschenke nicht hier und jetzt untereinander verteilt wurden. Aber auch ohne diesen Sympathiebeweis war es eine höchst verwunderliche Bahnfahrt.

(Auf der Rückfahrt saß ich die ganze Strecke neben einer Nonne, die völlig vertieft in ein Buch mit dem Titel "Begriffe in der Praxis der Traumdeutung" war. Amen.)




Leider wird sich dieses Weihnachten aus anderen, zutiefst traurigen Gründen in mein Gedächtnis brennen.

Spendenkonten hier bei Lu und hier bei Eriador und bei vielen anderen, die die Dinge beim Namen nennen können (was ich leider nicht kann) ...
2467

Donnerstag, 23. Dezember 2004

Paralleluniversen ...

Schlaflos. Schlage den von mir zu Weihnachten gewünschten (und gestern gewährten) Gedichtband zum ersten Mal (auf Seite 552) auf:

"die Scherben eines gläsernen Frauenzimmers"

mich flieht der Schlaf
ich hocke auf dem Boden mit angezogenen Beinen
aus dem Kasten das Zweite Brandenburgische Konzert
nicht aufzufinden Freundesstimme tröstlicher Blick
ein junger Dichter schreibt mir
ob ich ebenso oft daran denken muzs
dasz wir allein sterben
es ist der dreiundzwanzigste Dezember
vier Uhr morgens
aus meiner rechten Nase sickert das Blut
1188

Donnerstag, 9. Dezember 2004

Das Licht am Ende des Tunnels ...

Tunnellicht

ist nicht immer der ersehnte Silberstreif am Horizont ...
(sondern manchmal stehen einfach immer noch
die Haare von Jeanne d'Arc in Flammen)
1324

Festlicher Anlass, trauriges Gesicht ...

mit Maulkorb
schiff

und auch irgendwie beleidigt ...
cb
1856

Dienstag, 7. Dezember 2004

Wochenend-Rekorde …

Da ja schon bald wieder das nächste Wochenende in Sicht ist und mir irgendwie die Zeit davonzurennen scheint, hier jetzt eine Kurzzusammenfassung vom letzten Wochenende (obwohl ich dafür eigentlich keine Zeit habe).

Freitag kam der liebe Besuch im Doppelpack angeflogen und wurde von der einen Hälfte der hiesigen Doppelpackung (wenn auch unter Einfluss von enormer Orientierungsschwäche) abgeholt. Da ich nicht über genügend Zeit verfügte (wie gesagt, sie rennt mir davon, schon seit geraumer Zeit), schaute ich zuerst nur bei einem kurzen Mittagessen vorbei, gerade lang genug, um die großzügigen (und so schön glitzernden ;) Geschenke abzuräumen.

Geschenke und Essen waren sowieso ein großes Thema an diesem Wochenende und gleichzeitig wurde kollektiv versucht, mehrere Weltrekorde zu brechen:

1. der „Wie-oft-kann-man-an-einem-Wochenende-über-die-Reeperbahn-fahren-um- von-A-nach-B-zu-kommen“- Rekord

2. der „Wie-viele-Menschen-kann-man-anrempeln-wenn-man-an-einem-Samstag- vor-Weihnachten-versucht-in-der-Innenstadt-Geschenke-einzukaufen-ohne-von- diesen-verprügelt-zu-werden“-Rekord

3. der „Wie-viele-Currywürste-kann-man-zwischen-den-eigentlichen-Mahlzeiten- essen“-Rekord

4. der „Wie-viele-verschiedene-alkoholische-Getränke-kann-man-trinken-ohne-zu- sterben-oder-sich-sonst-wie-unbeliebt-zu-machen“-Rekord

5. der „Wie-viele-Schalentiere-und-andere-Wassertiere-kann-man-essen-ohne- einen-Eiweißschock-zu-erleiden“-Rekord

und last but not least

6. der „Wie-oft-kann-man-den-Plan-mit-dem-Punschboot-über-die-Alster-zu- schippern-verschieben-ohne-dass-es-auffällt-das-Bootfahren-im-Nebel-nicht-zu-den- Lieblingsbeschäftigungen-gehört“-Rekord

Der allerschwerste war allerdings der „Wieviel-Willenskraft-muss-man-aufbringen- um-über-eine-Edelsteinmesse-gehen-zu-können-ohne-sich-für-immer-zu-ruinieren“- Rekord.

Ich kann ohne zu lügen behaupten, dass wir bei allen Rekorden im vorderen Feld, wenn nicht an der Spitze lagen. Harte Arbeit, aber zu schaffen…

Die restlichen Disziplinen, wie etwa das gemeinsame Karaokesingen nach polynesischem Text in versteckten Hinterhofkneipen mit gewöhnungsbedürftiger Dekoration oder das sich gegenseitig in den Armen liegen, weil gerade alles so schön ist, konnten wir ziemlich locker meistern, da wir uns nicht lange mit übermäßigem Schlaf abgelenkt haben.

Tja, dann war es auch schon wieder vorbei - das Wochenende.
Schön war’s, wirklich! Ja!

Von hier aus deshalb nochmals VIELEN DANK an die beiden lieben Menschen aus der anderen Stadt für den Besuch (und die Geschenke ;))
1442

Montag, 6. Dezember 2004

Besuch überrascht mich ...

denn ich lerne meine Stadt immer wieder durch (wunderbaren) Besuch ganz neu schätzen. Auch diesmal habe ich wieder Orte und Dinge kennengelernt, die ich hier so gar nicht vermutet hätte ...

Okay, das kannte ich
Lucullus

das aber nicht so
saturday night


das kannte ich auch
Dollhouse

das allerdings überhaupt nicht
Karaoke


dann am nächsten Tag:

das kannte ich schon
Steine

das wiederum gar nicht
Kohlkopfjade


Na dann:
euch allen ein romantisches, weihnachtliches und hamburgerisches

"Lampen an!"

silbersackastra
2687

Nach diesem Wochenende ...

habe ich mich heute Morgen etwa so gefühlt

a little weak

Die ganzen schmutzigen Details folgen später ...

GöttinseiDank, geht es mir inzwischen wieder besser, wahrscheinlich auch, weil es inzwischen schon wieder dunkel ist.
1360

Samstag, 4. Dezember 2004

Pure Wunscherfüllung ...

Gestern durfte ich bei einem Abendessen mit Menschen dabei sein, die zuerst zum größten Teil fremd waren, aber GöttinseiDank fast alle den gleichen Vornamen hatten und so Sätze sagten wie:

"Ich hoffe ihr habt nichts dagegen, ich habe schon mal für alle ein Menü und den Wein bestellt. Es gibt zuerst verschiedene Muscheln und gegrillte Jakobsmuschel und dann ein paar Hummer und Langusten ..."

mmmhhh

oder:

"Salut! Ich glaube, ihr trinkt zu langsam...."

Salut


Ach ja, Rosen hat's auch noch geregnet ;) .... logisch!

auchnochrosen


Danke!
1434

Dienstag, 30. November 2004

Morgendlicher Schreck ...

Wenn morgens ganz früh das Telefon läutet, verspricht das meist nichts Gutes. Mir ist wirklich schleierhaft, warum gerade morgens die übermittelten Nachrichten zu 99% miesen Charakter haben. Man kann ja jedes Mal von Glück sprechen, wenn noch alle Freunde und Verwandte wohlauf sind und sonst auf der Welt noch alle Hochhäuser stehen.

Deshalb gehe ich morgens ungern ans Telefon, schließlich ist der Tag ja noch lang genug, um einem die Laune zu verderben. Da aber ausnahmsweise mein Anrufbeantworter nicht angeschaltet war und ich von Hause aus ein recht neugieriger Mensch bin, beantwortete ich das nervige Bimmeln mit einem jetzt schon übellaunigen: „Hallo!“

Und - welch wunderbare Überraschung – eine äußerst gutgelaunte Stimme flötete mir ins Ohr:

HENRY kommt!!! Soll ich für uns Karten besorgen?!“
Es ist nie zu früh für gute Nachrichten!

You made my day! Thank you very much!
1257

Montag, 22. November 2004

Great f*cking idea ...

Was in aller Welt veranlasst mich eigentlich, Einladungen von wildfremden Männern, die auch noch weit entfernt leben, anzunehmen, obwohl ich etliche Einladungen hier vor Ort unter fadenscheinigen Begründungen ablehne? Warum fahre ich für ein selbst gekochtes Mahl quer durch das Land, ohne zu wissen, was mich dort tatsächlich erwartet? Richtig: Eben deshalb!!!

"Why do I go out with these geeky guys? Free Food!"
Letzte Woche war es wieder soweit (Wieder? Wieso wieder?? Wann soll denn das letzten Mal gewesen sein??? Ich treffe mich grundsätzlich nicht mit fremden Männern in deren Wohnungen (in meiner schon gar nicht). Ich wähle immer neutrale Plätze mit ausreichend Fluchtmöglichkeiten für ein erstes Treffen. Immer!): Ich fuhr in eine fremde Stadt, zu einem fremden Mann in seine mir fremde Wohnung, um bei einem mir völlig fremden Abendessen dieses viele Fremde zu ignorieren.

Manchmal nenne ich meine Unbekümmertheit dann doch Naivität und leichte Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit melden sich zu Wort. Sehr leise allerdings – jedenfalls, wenn ihr Ursprung mein Verstand und nicht der, eines anderen Hirns mir nahestehender Menschen ist. In solchen Situationen schicke ich dann blödsinnige Mails, die vor Selbstzweifel nur so triefen und den mir noch Fremden an der Normalität meiner Verhaltensmuster zweifeln lassen. Aber es gibt Männer der Tat, die sich nicht so schnell abschrecken lassen und beherzt zum Telefon greifen, um zu fragen, WAS UM ALLES IN DER WELT DENN JETZT DAS PROBLEM SEI! und es auch damit aus eben dieser schaffen. So einfach ist das. Richtige Männer können das!

Selbst die Tatsache, dass ich seine Adresse nebst Telefonnummer (die konnte ich ja dann noch unter den angenommenen Anrufen entdecken) vorsorglich zu Hause vergessen hatte, konnte diesen hoch amüsanten Abend auch nicht mehr verhindern.

Wir haben zu unendlich viel erzählt, zu unendlich viel gelacht, zu unendlich viel gegessen, zu unendlich viel getrunken und das alles war ein unendlicher Genuss und hat unendlich viel Spaß gemacht. (Und auf englisch fluchen kann ich jetzt auch unendlich gut ...)

Fazit: Es ist das pure Vergnügen, Menschen (auch Männer, durchaus, wirklich ...) kennenzulernen, die kochen (lachen/essen/trinken/genießen/erzählen) können!!!

Danke für die Einladung. A great goddamned f*cking idea!
1988

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